Führen in Veränderungsprozessen ↦ Wie gelingt Führung, wenn die Instabilität die Konstante ist? Drei Impulse für Ihre Führungsarbeit.
Jeder von uns erlebt Veränderungen- manchmal sind sie selbst initiert und oft von den umgebenden Strukturen bedingt. In der heutigen Arbeitswelt ist es immer wichtiger, sich an die verändernden Märkte anzupassen und einen guten Umgang mit dem Wandel zu finden. Den Führungskräften kommt hierbei eine wichtige Aufgabe zu.
Doch oft stecken auch diese im Wandel „fest“, sind angehalten Veränderungen mitzutragen, hinter denen sie selbst nicht oder nur schwer stehen können. Da ist der Wunsch nicht fern, es möge mal wieder ruhigere Zeiten geben. Man sehnt sich nach dem „Danach“, nach dem was kommt, wenn alle Veränderungen bewältigt sind. Doch gibt es diese Phase in unserer heutigen, schnellebigen Zeit wirklich noch? Oder ist nicht vielmehr der Wandel die Konstante, die unser Arbeitsleben bestimmt?
Heute würden viele Heraklit sicher Recht geben, der vor langer Zeit schon sagte: Nichts ist so beständig wie der Wandel. Deshalb ist Führung in Unternehmen eine wichtige und gleichzeitig schwierige Aufgabe. Da haben es Schönwetterkapitäne schwer, da braucht es Kapitäne, die in hoher See bestehen können.
Drei Impulse, wie das gelingen kann.
1. Mit einer Unternehmenkultur, die den Wandel trägt
„Der härteste Erfolgsfaktor in Veränderungsprozessen ist der weiche Faktor der Unternehmenskultur“. Und wie Peter Kruse* einmal weiter sagte: „Zukunftsfähige Organisationen sind in der Lage, auf die wachsende Komplexität und Dynamik einer vernetzten Außenwelt mit einer Kultur zu antworten, in der eine Vernetzung der internen Strukturen jederzeit selbstverständlich möglich ist“.
Soweit die Theorie. Doch wie kann hier eine Umsetzung gelingen? Ein wichtiger Faktor sind hierbei Sie als Führungskraft. Eine Kultur wird maßgeblich davon geprägt, wie die Führungsmannschaft die Veränderungsbereitschaft vorlebt. Wenn Sie den Wandel als notwendiges Übel begreifen, dürfen Sie sich nicht wundern, wenn Ihre Mitarbeiter den Veränderungen ebenfalls negativ entgegen treten.
Elementar ist auch, wie im Unternehmen mit Fehlern und Konflikten umgegangen wird. Neue Ideen und Strukturen entwickeln sich nur, wenn es einen Raum gibt, in dem Querdenken erlaubt und anerkannt ist. Neues braucht Handlungsspielraum, Mut und die Akzeptanz, das mal etwas nicht gleich auf Anhieb gelingt.
Kulturen sind das Ergebnis derer, die in ihnen arbeiten. Und um noch einmal den Vordenker Kruse* zu zitieren: „Kultur ist einerseits das mit der Zeit entstandene Ergebnis der Summe aller Aktivität in einer Gemeinschaft und andererseits der selbstverständliche Rahmen, der den Aktivitäten der einzelnen Mitgliedern einer Gemeinschaft eine einheitliche Richtung gibt.“
Kultur entsteht. Ob Sie bewusst etwas dafür tun oder nicht.
Impulsfragen: Welche Kultur haben Sie? Haben Sie aktiv etwas dafür getan? Oder hat sie sich entwickelt? Sichert sie Ihre Ziele und Planungen?
2. Mit einer Haltung, die Veränderung als Chance begreift
In meiner Arbeit nutze ich oft den Berg als Symbol für Veränderung. Hier habe ich den Prozess über diesen sinnbildlichen "Berg" einmal grafisch dargestellt:
Neuerungen entstehen durch Phasen der Instabilität. Die Kugel kommt in Bewegung und macht sich auf den Weg zum neuen Zielort, der neuen Stabilität. Dazwischen liegt der Berg der Veränderung, eine Phase in der es keine Stabilität gibt und sowohl die alte "Sicherheit" nicht mehr greift, als auch die neue "Sicherheit" noch nicht erreicht ist. Wenn sich die Kugel auf der Spitze befindet, ist das System besonders sensibel, dann gilt: kleine Ursache, große Wirkung.
Die schwierigste Aufgabe ist jedoch nicht allein, die Instabilität zu managen. Vielmehr ist die erste Herausforderung, die Kugel in Gang zu bekommen. Denn Systeme (so auch Unternehmen) haben eine ausgeprägte Tendenz, bestehende Stabilitäten zu erhalten.
Und doch sind diese Übergänge für Unternehmen notwendig, um weiter erfolgreich am Markt zu bestehen. Daher gilt es, eine gute Balance zwischen stabilen und instabilen Phasen herzustellen. Sie als Führungskraft sind dabei ein wichtiger Indikator und Motor für den Wandel. Denn dauerhafte Stabilität führt zu Rückschritt durch fehlende Anpassung an wechselnde äußere Bedingungen.
Doch dauerhafte Instabilität ist ebenfalls nicht erstrebenswert, da diese zu einer Verringerung der Handlungsfähigkeit führt. Man ist in diesem Phasen zu sehr damit beschäftigt, die "Kugel" nicht in unerwünschte Richtungen laufen zu lassen.
Sie sollten als Führungkraft also grundsätzlich bereit sein, auch in unbekannten Gefilden zu segeln. Wichtig ist auch, dass Sie mit Ihrer Mannschaft offen über Anstehendes kommunzieren. Ein Verstehen dessen, was kommt, verringert das Gefühl der Bedrohung, welches Unbekanntes in uns auslöst. So wird die emotionale Bereitschaft erhöht, sich auf Veränderungen einzulassen.
Impulsfragen: Wie stehen Sie zu Veränderungen? Gelingt Ihnen ein guter Umgang damit? Oder fällt es Ihnen oft schwer, Entscheidungen zu treffen oder mitzutragen? Welchen Einfluss hat das in Ihrer Wahrnehmung bislang auf Ihre Mitarbeiter gehabt?
3. Mit einer Vision als emotionaler Basis
Vision kommt aus dem mittelhochdeutschen und bedeutet „Traumgesicht“. Eine Vision ist kein Ziel (auch wenn es heute oft synonym verwendet wird). Eine Vision ist auch keine Marketingaufgabe, die schön formuliert auf einem Hochglanzpapier steht. Ein Unternehmen hat nur dann eine echte Vision, wenn eine hinreichende Anzahl von Führungskräften eine gemeinsame Vorstellung der Zukunft (einen "Traum") teilt und damit über einen emotionalen Boden verfügt, der Sicherheit in der Unsicherheit gibt.
Die Entwicklung und Darstellung einer Unternehmensvision ist eine zentrale Aufgabe der Führungsmannschaft und kann nur top-down erfolgen. Die Führungskräfte sind die Träger der Kultur. Die Veränderung verliert ihre Basis, bevor sie begonnen hat, wenn die Führungskräfte nicht hinter der Vision stehen.
Dabei ist neben der eigentlichen Führungsleistung auch die Übereinstimmung und Resonanz mit der Vision des Unternehmens entscheidend. Als Hemmschuh können sich die Führungskräfte erweisen, die zwar aufgrund ihrer Führungsleistung eine hohe Anerkennung im Unternehmen genießen, also „gute“ Chefs sind, die aber nicht von der Unternehmensvision überzeugt sind. Auf diese Führungskräfte sollten Sie besonders achten. Sonst werden diese Leistungsträger schnell vom Querdenker zum Quertreiber und können aufgrund ihres Status im Unternehmen, die Glaubwürdigkeit der Veränderung (zer)stören.
Der Aufbruch in neue Gefilde gelingt nur mit Überzeugungstätern. Mit Führungskräften, die von der Resonanz der gemeinsamen Vision getragen sind. Sie können diese Vision auch überzeugend an die Mannschaft vermitteln und damit Faszination und Neugierde wecken. Und Faszination ist (im Gegensatz zur Angst) wohl die positivste und unerschöpflichste Quelle für menschliche Veränderungsbereitschaft und Kreativität.
Impulsfragen: Haben Sie eine gemeinsame Vision? Sind Sie mit den Kollegen in Ihrer Führungsmannschaft in einem guten Verständnis zu anstehenden Veränderungen? Wie haben Sie bislang Veränderungen an Ihre Mitarbeiter vermittelt?
Führung in instabilen Zeiten – was können Sie tun?
- Klären Sie Ihre eigene Haltung zu Veränderungen – sie hat Wirkung.
- Denken Sie über die Kultur nach, in der Sie arbeiten – Sie gestalten diese aktiv mit.
- Setzen Sie sich in der Führungsmannschaft zusammen und prüfen Ihre gemeinsame Vision – diese sichert die emotionale Basis und damit den Erfolg anstehender Wandelprozesse.
Viel Erfolg - Ihre Tanja Remmel
*Peter Kruse war ein deutscher Psychologe und lehrte als Honorarprofessor für Allgemeine und Organisationspsychologie an der Universität Bremen. Für mich einer der brilliantesten Denker und Vordenker unserer Zeit, der leider zu früh verstorben ist im letzten Jahr. Die Zitate stammen aus seinem Buch „Next practice – Erfolgreiches Management von Instabilität“ aus dem Gabal Verlag.